
Über ein Jahr ist die Expedition schon her. Einiges dazwischen passiert. Anfangs hatte ich keine Energie und Lust zum Schreiben. Zu nah und langwierig war noch die Erschöpfung. Viel musste noch verarbeitet werden nach dieser intensiven Zeit. Und schon ist ein Jahr um. Nun endlich finde ich Motivation und Muse bevor die Erinnerungen verblassen.
Vorab
Ende Juni geht’s endlich los in Richtung Pakistan, Karakorum. Die Gegend, die ich zuletzt mit gemischten Gefühlen verlassen habe: nicht erfolgreiche Expedition, schlechtes Wetter, Gesamtsituation.
Lange stand die Expedition auf der Kippe. Über ein halbes Jahr warten Simon und ich auf einen positiven Visabescheid. Einen Monat vorab treffen wir uns bei den Pfattner Wänden zum Klettern. Im Kopf habe ich die Expedition bereits abgeschrieben und freue mich bereits auf einen Kletter-Sommer. Wir beschließen die Expedition zu verschieben und planen einen Klettertrip in den Norden. Ich bin eh viel motivierter zum Klettern und freue mich nicht in einem verlassenen Talschluss auf gutes Wetter abwarten zu müssen. Hassliebe?
Am Abend die Ernüchterung. Bestätigte Visa. Ein Telefonat mit Simon reicht und unser Plan für die Expedition wird wiederhergestellt. In meinem Kopf sind zwar noch gemischte Gefühle, aber grundsätzlich war das unser Plan: eine Expedition ins Hushe Valley zur Erstbesteigung des Yernamandu Kangri (7180m), den kleinen Bruder des mächtigen Masherbrum (7821m).
Unser Plan B: Klettern im Bombengranit im nahe gelegenem Charakusa-Valley.
Der Gedanke an Plan B hilft mir, mich doch noch auf die Expedition so richtig zu freuen.
Klettern oder Expedition?
Anreise
Herzlich werden wir in Islamabad von Karim in Empfang genommen. Etwas verspätet, mussten wir doch wegen schlechtem Wetter in Lahore zwischenlanden und mühsam einige Stunden warten. Dementsprechend geschlaucht freuen wir uns auf ein wenig Schlaf und ein Frühstück in einem der Geister-Hotels der Stadt.
Zu Mittag holt Karim uns ab. Karim ist der Sohn von Rozi Ali, einem legendären Höhenträger, der unter anderem auch schon Reinhold Messner bei Expeditionen unterstützte. Sie kommen aus dem kleinen Bergdorf Hushe, welche den südlichen Zugangspunkt zum Baltorogletscher markiert und weit weniger touristisch ist als Askole (Map).
Karim macht mit uns die obligatorische Stadtrundfahrt und wir besuchen die Faisal Mosque, die fünftgrößte Moschee der Welt. Am Abend stellt uns Karim einen Freund und „Fan“ vor: Khalid. Dieser lädt uns in eines der Szene-Restaurants außerhalb Islamabads ein. Gutes Essen und eine traumhafte Aussicht auf die Dächer von Islamabad, jedoch zeigt es nur umso mehr wie groß die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen reich und arm im Land verteilt sind.
Mit vollem Bauch und üblen Jetlag geht’s zurück in die Sauna bzw. ins Zimmer. Die Hitze in der Stadt ist unerträglich.
Nach einer durchschwitzten, aber guten Nacht warten wir pünktlich in der Lobby um unseren Flug nach Skardu zu erreichen. Die Zeit vergeht!! Knapp eine Stunde vor Abflug geht’s endlich los. Begleitet von unserem Liasion Officer, Karim hat verschlafen, kommen wir dementsprechend knapp am Flughafen an, treffen dort Karim und erreichen unseren Flug nach Skardu. Von da an läuft alles gut, wir treffen Rozi, machen letzte Erledigungen in Skardu und fahren bereits am kommenden Tag in Richtung Hushe.

Hushe und Rozi Ali
Das Zeitpläne in Pakistan nicht immer eingehalten werden, kennen wir ja bereits. Gewöhnen muss man sich trotzdem immer wieder aufs Neue. Mit Rozi Ali wird’s aber nicht langweilig. Er hat viele Geschichten im petto, war er doch unter anderem mit Reinhold Messner, Robert Renzler und Hans Kammerlander unterwegs. Gefühlt kennt er alle namhaften Bergsteiger aus 80er, 90er bis in die 2000er. Rozi hat einige Expeditionen als Höhenträger begleitet oder war als Koch bei großen Expeditionen am K2 und Broad Peak dabei. Er berichtet von überlebten Lawinenereignissen und von einer Schlägerei, bei der er einem fremden Träger davon abhielt, Reinholds Kletterequipment zu stehlen. Außerdem war er bei einem Besteigungsversuch des Yernamandu Kangri dabei und kann uns wertvolle Einblicke geben.
Irgendwann geht’s dann los: zuerst noch über gute Straßen, zweigen wir bald auf eine Dirt-Road ab. Es gibt auch wieder einen Road-Block, das Wetter der letzten Tage hat einen Straßenabschnitt unbefahrbar gemacht. Endlich kommen wir im kleinen Bergdorf Hushe an. Hushe ist ein mittelalterliches Dorf, das 160 Familien beherbergt. Der Ausblick ist unbeschreiblich. Wir erblicken bereits unser Ziel neben dem mächtigen Masherbrum.
Unsere Unterkunft ist das einfache Hotel „Little Karim“. Gewidmet einem legendären Hochträger/Bergsteiger der Gegend. Das Hotel ist fremdfinanziert und wird von einer spanischen Organisation rund um Sebastian Alvaro unterstützt. Die Erlöse kommen den Einheimischen zugute.


Die Qual der Wahl?
Unser Plan für die Expedition steht noch nicht fest. Sollen wir alles auf eine Karte setzen? Eventuell wieder ohne Gipfel und ohne Klettererlebnis nach Hause fahren? Wir grübeln ob wir nicht zuerst ins Charakusa-Valley trekken sollen uns akklimatisieren und einige Linien klettern. Logistisch ist dies immer eine Herausforderung. Auch wenn wir die Optionen von Anfang an mit Karim abgesprochen haben, der Koch ist nicht erfreut. Schlussendlich nimmt uns unser Begleitoffizier die Entscheidung ab, da wir scheinbar keine Genehmigung für das Gebiet rund um Charakusa haben. Thats Pakistan.
Nach Diskussionen und Gesprächen einigen wir uns auf unser Hauptziel, den Yernamandu Kangri. Zur gleichen Zeit ist auch eine Expedition rund um Sebastian Alvaro in Hushe. Sebas ist eine Legende und kümmert sich seit Jahren um das Gebiet rund um Hushe und ist ein kleines Lexikon. Unser geplantes Akklimatisationsziel (ein naher 6.000) wurde bereits 2011 bestiegen auf quasi unser geplanten Linie. Somit steht für uns fest, dass wir all unsere Energie in den Yernamandu stecken und gleich in Richtung Basislager aufbrechen um dort zu akklimatisieren.

Auf ins Basislager (ca. 4300m)
Wir starten relativ früh den gemütlich flachen Weg in Richtung Brumbrama Camp, unserem heutigen Ziel. Ein wunderschöner grüner Platz neben einem zerklüfteten, dreckigen Blockgletscher am Fuße des Cathedral Peak. Immer mit Blick auf den mächtigen Masherbrum, nutzen wir die Zeit um gemütlich zu akklimatisieren. Da unerwarteter Weise bis jetzt alles nach Plan lief sind wir wirklich gut im Zeitplan. Der kommende Tag bringt eine Ungewissheit mit sich. Wir müssen einen Platz für unser Basecamp finden. Seit einigen Jahrzehnten war keine Expedition mehr im Tal und die Träger wissen den Weg nur bis zum sogenannten "Masherbrum View Camp".
Bei strömenden Regen starten wir am nächsten Tag. Ein im Camp überdachtes "Klo" wird als Unterschlupf von Simon und mir bezogen und wir lassen die Träger vorausgehen. Bald kommen wir nach und überholen die Träger. Wie zuvor am Black Tooth haben die Träger bald keine Lust mehr den nicht bekannten Pfad zu folgen und wollen verfrüht Basecamp beziehen. Wir winken sie weiter und finden bald einen geeigneten Platz nahe am Aufstieg zum Gletscher. Über den Tag verteilt trudeln nach und nach die Träger mit unseren "fetznassen Gepäck" ein. Wir nutzen den restlichen Tag zum Trocknen, Erkunden und Relaxen.


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